Schwimmen lernen
Schwimmen Lernen in der Schule: Motiviert teilhaben!
Guter Schwimmunterricht für alle ist wichtiger denn je. Die Corona-Pandemie hat zu erheblichem Sportunterrichtsausfall, insbesondere dem schulischen Schwimmunterricht, geführt und das ohnehin bestehende Problem der vielen nicht schwimmfähigen Grundschüler*innen weiter verschärft. Auch sehen sich die Lehrkräfte mit zunehmend heterogenen Lerngruppen und schwierigen organisatorischen Rahmenbedingungen konfrontiert. Wie aber sieht Schwimmunterricht aus, an dem alle Kinder motiviert teilhaben und bestmöglich lernen? Welche Rahmenbedingungen fördern intrinsisch motiviertes Lernverhalten und optimale motorische Entwicklung bei Kindern? Der geöffnete Schwimmunterricht hat sich in der Praxis als ein vielversprechender Ansatz herausgestellt und soll nun die Grundlage für eine erste Auseinandersetzung mit diesen Fragen im Rahmen dieses Pilotprojekts bilden.
Da die Fachliteratur im Bereich des Schwimmenlernens von praktischen Ratgebern und theoretischen Überlegungen geprägt ist, ist es das erklärte Ziel dieses Pilotprojekts, empirisch zu untersuchen, inwiefern sich Erkenntnisse aus der Motivations- und Motorikforschung im Sinne gesellschaftlicher Teilhabe auf das Schwimmen lernen übertragen lassen.
In Zusammenarbeit mit 5 Kölner Grundschulen untersucht dieses Pilotprojekt in einem fünfwöchigen Interventionszeitraum die Wirksamkeit geöffneten Schwimmunterrichts mit hohen Anteilen selbstbestimmten Lernens in z.B. offenen Lernlandschaften oder mittels selbstgewählter Lerninhalte durch die Grundschüler*innen. In einer Vergleichsgruppe wird ein stark Lehrkraft-zentrierter Unterricht mit vorgegebenen Lerninhalten umgesetzt, die denen des geöffneten Unterrichts widersprechen. Begleitet wird der Unterricht von kindgerechten Fragebögen zur intrinsischen Motivation und der Befriedigung des Bedürfnisses nach Selbstbestimmung bezogen auf den Schwimmunterricht. Die Teilnehmenden sind ca. 60 Grundschüler*innen der 3. und 4. Klasse, die nicht schwimmfähig sind und somit besonderen Förderbedarf aufweisen.
Dieses Pilotprojekt wird im Auftrag der Landesregierung durch die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert und an der Deutschen Sporthochschule Köln vom Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten, Abteilung Didaktik und Methodik der Sportarten realisiert.
Standort: Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten, Abt. Didaktik und Methodik der Sportarten, DSHS Köln
Projektleitung: Jun.-Prof. Dr. Tobias Vogt
Laufzeit: 10/2021 – 04/2022
Schwimmen lernen von Kindern mit Migrationshintergrund – Eine Analyse der Rahmenbedingungen in Nordrhein-Westfalen
Die Fähigkeit zu Schwimmen ist ein in den letzten Jahrhunderten gewachsenes Kulturgut und eine Voraussetzung, um an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur aktiv teilhaben zu können. Neben lebensrettenden Zielsetzungen, wie der Prävention von Ertrinkungsunfällen, hat die Schwimmausbildung weitere gesundheits- und entwicklungsbegleitende Funktionen. In der Betrachtung soziodemografischer Dimensionen wird deutlich, dass unter den Nichtschwimmer*innen weniger Kinder mit einem höheren sozialen Status zu finden sind. Wenn das familiäre Umfeld, unter anderem aus kulturellen Gründen, weniger Bezug zum Schwimmen und dem Bewegungsraum Wasser hat, eventuell sogar selbst nicht schwimmen kann, wird der Unterschied durch die ‚intergenerationale Vererbung‘ noch verstärkt und begründet oftmals eine höhere Nichtschwimmer:innen-Quote in der Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund.
Ein wichtiger Baustein für einen flächendeckenden Zugang zur Zielgruppe ist daher der schulische Schwimmunterricht. Das Ziel des Projekts ist es deshalb folgende Fragen zu beleuchten:
- Welche Rahmenbedingungen des schulischen Schwimmunterrichts nehmen fördernd und hemmend auf die Schwimmfähigkeit von Kindern (mit Migrationshintergrund) Einfluss?
- Welche Strategien entwickeln Lehrkräfte, um ihren Schwimmunterricht trotz vielfältig heterogener Lerngruppen erfolgreich zu gestalten?
Exemplarische wurden dazu für den Standort Dortmund die personalen und organisationalen Unterstützungsstrukturen am Beispiel von Schwimmassistent:innen respektive lokalen Kooperationen über qualitative, leitfadengestützte Interviews mit Mitarbeiter:innen aus Schulen, Sportvereinen und der kommunalen Organisationsebene (n=6) beleuchtet. Zudem konnten über eine Online-Befragung und vertiefende Einzelinterviews (n=4) mit Sportlehrkräften Einblicke in die Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz durch die Aus- und Fortbildungsstrukturen gewonnen werden.
Die Ergebnisse des Pilotprojektes zeigen, dass die Chancen und Herausforderungen in der schulischen Schwimmausbildung für die Befragten ziel-/altersgruppenübergreifend vielfältig sind. Auffällig sind, aus Sicht der Befragten, sinkende Schwimm-/Wasservorerfahrungen bei Kindern und Jugendlichen aus schwächeren Sozialräumen. Besondere Rahmenbedingungen für Kinder mit Migrationshintergrund, wie beispielsweise die Aufklärung der Eltern sowie der Umgang mit geringen Sprachkenntnissen, Geschlechterrollen und Körperlichkeit, müssen von Anfang an berücksichtigt werden. Aufgrund der allgemeinen Strukturbedingungen (Lerngruppenheterogenität, Personal-/Organisationsstrukturen usw.) rücken sie jedoch oft in den Hintergrund. Der Einsatz von gut ausgebildeten Schwimmassistent:innen und die verstärkte Thematisierung kultursensibler Inhalte und Organisationsmöglichkeiten in der Aus- und Fortbildung von Sportlehrkräften können den schulischen Schwimmunterricht zielgruppengerechter gelingen lassen.
Um diese Erkenntnisse über den Standort Dortmund hinaus zu generalisieren, empfiehlt es sich, das Pilotprojekt auf andere Städte und Kreise in NRW auszuweiten. Darüber hinaus wäre für eine flächendeckende Bedarfserhebung und Überprüfung der Einsatzeffizienz auch die Entwicklung einer schwimmspezifischen Testbatterie von großem Nutzen.
Das Pilotprojekt wird mit finanzieller Unterstützung durch den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen von den Arbeitsbereichen „Trainings und Bewegung“ (Projektleitung Prof. Dr. Thomas Jaitner) und „Kultur und Gesellschaft“ des Instituts für Sport und Sportwissenschaft der TU Dortmund durchgeführt.
Zum Download des Projektberichts
Standort: Institut für Sport und Sportwissenschaft, Technische Universität Dortmund
Projektleitung: Anna Sendt, Dr. Veronique Wolter, Prof. Dr. Thomas Jaitner
Laufzeit: 10/2020 – 02/2021